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NRW Umweltminister besucht Ottenhausen

Minister staunt über geheimen Naturschatz

Im Kreis Höxter sind in Sachen Naturschutz einzigartige Dinge erreicht worden. Warum es dafür gut ist, dass auch mal jemand stirbt und warum Verkehrs- und Umweltminister Oliver Krischer davon vielleicht nachts träumen wird.

Steinheim/Kreis Höxter. Es ist gut möglich, dass NRW-Verkehrs- und Umweltminister Oliver Krischer dieser Termin noch in seinen Träumen verfolgen wird. Zumindest aber wird er noch lange an diese Stunden im Kreis Höxter zurückdenken. Und das lag vor allem an Heribert Gensicki, der mit seiner unvergleichlich direkten Art und Steinheimer Schnauze den Minister öfter zum Lachen, aber auch mal zum Staunen und zum Schweigen brachte.

Dabei ging es um ein Thema, das per se nicht unbedingt sexy, dafür aber in Zeiten des Klimawandels von um so größerer Bedeutung ist: der Naturschutz. Darin ist der Kreis Höxter bisweilen einzigartig. Im Nordkreis, nahe der Steinheimer Ortschaft Ottenhausen ist so ein fast unbekanntes, einzigartiges Juwel entstanden – in jahrzehntelanger, vielfach ehrenamtlicher Arbeit: ein riesiges Naturschutzgebiet mit Feuchtwiesen und alten Streuobstwiesen. Daran angeschlossen die naturnahe Umweltbildung für Grundschüler (die „NW“ stellte diese kürzlich vor).

Und weil die Ottenhäuser gerade so enthusiastisch bei der Sache waren, haben sie das Projekt Heimatapfel initiiert, viele Mitstreiter ins Boot geholt, dass inzwischen sogar die Warburger Brauerei mitmacht, indem sie leckeren Cider aus den Äpfeln im Kreis Höxter macht.

All das und vieles mehr wollten Gensicki und seine Mitstreiter dem Minister vorstellen. Und dass man dafür einen sehr langen Atem braucht und es manchmal ganz gut ist, wenn jemand stirbt. Am Ende ging es aber, wie so oft, auch um viel Geld. Und da gabs vom Minister zwar keine konkrete Summe, immerhin aber eine verbindliche Zusage. Dazu später mehr, denn zunächst ging es um Inhalte.

„Der Naturschutz darf und wird nicht unter die Räder kommen“

Rund 40 Hektar ist der Biotopverbund Multhöpen/Brede direkt an der Grenze zu Lippe groß. Jenseits der Linie schließen sich das Naturschutzareal Norderteich und das FFH-Gebiet Bellenberg an. Ein riesiges Gebiet, in dem sich seltene Insekten, Amphibien und Pflanzen wieder ansiedeln oder – wie beispielsweise im Falle des Laubfrosches wieder angesiedelt werden. Frank Grawe, wissenschaftlicher Leiter der Landschaftsstation im Kreis Höxter, nannte der kleinen Schar, die entspannt und ehrfürchtig in die grüne Graslandschaft starrte, viele Namen von Fauna und Flora. Viele völlig unbekannt. Verständlicherweise, denn sie sind durch den landwirtschaftlichen Raubbau an der Natur fast vollständig vertrieben worden. Ihnen fehlte der Lebensraum.

Seit Jahrzehnten arbeitet die Stiftung für „Natur, Heimat und Kultur im Steinheimer Becken“ und der Ottenhäuser Heimatverein gemeinsam mit der Landschaftsstation daran, die ehemals für Milchviehhaltung genutzten Flächen für den Naturschutz zu gewinnen und – besonders wichtig: zu einem großen Verbund zusammenzuschließen.

Was Krischer besonders interessierte: Wie es schließlich gelungen ist, schließlich eine solch große Fläche zusammenzubekommen. Eine Frage, die er sich leicht hätte beantworten können, hatte er Heribert Gensickis zupackende Art doch selbst schon kennengelernt. Der erläuterte wild gestikulierend, dass es dafür durchaus Geduld und Hartnäckigkeit braucht. Und er weiß auch, dass er den Eigentümern damit manchmal auf die Nerven geht. Im Sinne der Sache und des Erfolgs ist ihm das aber egal. Und bekommt er etwas nicht sofort, kann er auch warten. Gensicki erklärte es dem Minister mit dem „biologischen Wandel bei uns Menschen.“ Sprich: Der Eigentümer stirbt. „Dann lässt man noch ein Jahr Ruhe und dann kommt man mit den Erben ins Gespräch.“ Und dieses Gespräch kann schon mal sieben Jahre dauern, wenn es beispielsweise für eine 2,8 Hektar große Fläche 72 Erben gibt. Was es dann noch braucht, sind Fördermittel des Landes und der NRW-Stiftung, um den Flächenkauf zu finanzieren. Für dieses Geld sei er so dankbar, dass er jede Woche eine Messe in der Kirche lesen lassen könnte. „Leider geht kaum noch jemand in die Kirche.“ Und die Ottenhäuser sind noch längst nicht am Ziel, haben weitere Flächen im Blick. Denn „unser Maria“ aus dem Dorf ist verstorben, Eigentümerin des Areals, das direkt ans Naturschutzgebiet Napte grenzt. Erbe Rudolf wird sicherlich irgendwann einen Anruf erhalten.

Über Sinn und Notwendigkeit solcher Naturschutzflächen wie auch des Erhalts der rund 4.000 Streuobstwiesen im Kreis Höxter muss man NRWs Umweltminister nichts erzählen. Zumal es eine Streuobstwiese gewesen sei, die ihn selbst zum politischen Engagement bewegte. Denn in seinem Ort sollte ein Obstbaum gefällt werden, in dem ein Steinkauz nistete. Krischer wollte das verhindern, schnappte sich die Schreibmaschine des Vaters und schrieb dem Bürgermeister einen bösen Brief. Der Vater sei sehr verärgert gewesen, die Streuobstwiese aber gebe es bis heute und sei Teil eines Naturschutzprojektes. Er wisse aber nicht, betont Krischer ausdrücklich, ob sein Brief zu dieser Entwicklung beigetragen hat.

Es ist aber genau dieses Engagement, von dem Heribert Gensicki sprach, wenn er im Beisein des Ministers die Menschen im Kreis Höxter aufforderte, die Entwicklung ihrer Heimat und des Naturschutzes selbst in die Hand zu nehmen. Nicht auf Behörden zu warten, sondern selbst kreative, zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln.

Aber bei allem ehrenamtlichen Engagement braucht es am Ende doch viel Geld. Spenden helfen, und Sponsoren wie die Be-Ste-Stadtwerke, die das Projekt „Heimatapfel“ vertraglich abgesichert langfristig unterstützen und damit den Initiatoren auch wertvolle Planungssicherheit verschaffen.

Doch jetzt fällt die europäische Eler-Förderung für das Pflanzen und die Pflege von Obstbäumen weg. Dabei ist deren Schutz im Naturschutzgesetz sogar festgeschrieben. Krischer sagte zu, dass es eine neue Form der Unterstützung geben wird, über die gerade verhandelt werde. Selbst wenn auch der Landeshaushalt in einer prekären Lage sei. „Der Naturschutz darf und wird nicht unter die Räder kommen“, versprach Krischer in Steinheim.

Bericht und Foto:  David Schellenberg, NW 03.05.2025

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