„Innige Liebe“ bringt das Verdienstkreuz
Stephan Lücking aus Ottenhausen erhält eine besondere Auszeichnung. Inwiefern der Fahrrad-Fan „noch eine Menge im Schlauch“ hat, und wem er häufiger aus der Patsche half.
Ottenhausen/Steinheim. Dieser Mann ist weder ratlos noch radlos: Stephan Lücking hat seine Heimat rund um Ottenhausen infrastrukturell maßgeblich mitgestaltet, kennt wohl jeden mit dem Fahrrad befahrbaren Zentimeter des Kreises Höxter, und kam sogar jüngst zur Verleihung des Verdienstkreuzes wie gewohnt mit seinem Drahtesel – vermutlich per Radweg entlang der K7.
„Böse Zungen behaupten ja, der Radweg zwischen Ottenhausen und Steinheim ist nur für mich gebaut worden – sie nennen ihn die Stephan-Lücking-Tangente“, erzählt er selbst schmunzelnd und gibt zu: „Natürlich ist auch etwas Eigennutz dabei“. Doch das Engagement des Fahrrad-Fans geht weit über die Planung eines umfänglichen Radwegenetzes für die Region hinaus – viele Gründe, um ihm einen ganz besonderen Verdienstorden zu verleihen.
„Preußische Prinzessin im ICE beeindruckt“
Einst war er bekannt als „gefährlicher Fußballspieler“, wie es Bürgermeister Carsten Torke beschreibt, doch schon im jungen Alter von 22 Jahren startete Stephan Lücking eine ganz andere „Karriere“ – und zwar im Ehrenamt. Denn vor 43 Jahren nahm er seinen ersten ehrenamtlichen Job als zweiter Kassierer des Ottenhausener Jungschützenvereins an. Später fungierte er dort acht Jahre lang als Oberst.
So vielfältig wie die Häppchen jüngst auf den Tischen seiner Feierrunde – vom feinen Baguette mit Lachscreme über Apfelkuchen bis hin zum rustikalen Brot mit Schinken war alles dabei – wurde schnell auch sein Engagement: Ob Öko-Dorf, Expo-Dorf oder Gold-Dorf – Lücking gestaltete viele Initiativen seines Heimatortes erfolgreich mit. Seit mehr als 30 Jahren setzt er sich für den Landschafts- und Naturschutz ein, hilft jährlich bei der Pflege von rund 500 hiesigen Kopfweiden und 250 Obstbäumen. Dank seiner tatkräftigen Hilfe konnten auch 30 Gewässerbiotope angelegt werden.
Mit Demonstrationen in Detmold verhinderte er einst die Realisierung einer Mülldeponie nahe Steinheims, und als „Botschafter für Ottenhausen“ war er Ende der 90er Jahre sogar an der Universität Taipeh in Taiwan zu Gast, um den dortigen Studenten die Ansätze eines ökologischen und umweltfreundlichen Umgangs mit Natur und Landschaft zu vermitteln. Alles in seiner Freizeit – er verwandte fast seinen gesamten Jahresurlaub darauf. Und als 2015 zahlreiche Menschen hilfesuchend nach Deutschland kamen, unterstützte Lücking die Geflüchteten bei vielen Behördengängen und half ihnen, in Steinheim und Umgebung eine neue Heimat zu finden.
Persönlich aus München konnte er 1996 auch den Europäischen Dorferneuerungspreis für seine geliebte Heimat abholen. In Erinnerung geblieben ist Lücking davon vor allem die Rückfahrt: „Da hatten wir die hohe Ehre, im ICE mit der letzten Prinzessin von Preußen zu fahren“, erzählt er. Eine Begegnung, von der sowohl Lücking als auch sein Mitfahrer Wilhelm Gemmeke danach wohl allzu gern erzählt haben: „Unser im vergangenen Jahr leider verstorbene, ehemalige Bürgermeister Willi Gemmeke hat noch Jahre später davon geschwärmt, wie wir die Frau beeindruckt haben“, so Lücking mit trockenem Humor.
„Triebfeder seines Engagement ist klar die innige Liebe zu seinem Heimatdorf Ottenhausen“, fasst es Landrat Michael Stickeln zusammen. Dabei wohl der meistgesehene und meistgesprochene Weggefährte von Lückings ehrenamtlichem Tun: Heribert Gensicki, mit dem er allein 20 Jahre lang den Ottenhausener Heimatverein führte. Letzterer dankte Lücking auch dafür, dass er ihn „so oft aus der Patsche geholfen“ habe.
Standleitung zu Heribert Gensicki – außer sonntags
Denn gemeinsam erlebten die beiden engagierten Männer zwar viele Aufs, mussten manchmal aber auch das Scheitern eines Projekts verkraften, wie die Schließung des Ottenhausener Dorfladens 2006.
Erfolgreich agieren sie seit vielen Jahren für den (Radfahr-)Verein „Ländlicher Raum aktiv“, in diversen Stiftungen, und halfen auch dabei, den Öko- und Bauernmarkt im alten Ortskern Ottenhausens mit inzwischen mehr als 10.000 Gästen zu einem echten Publikumsmagneten werden zu lassen.
Sein berufliches Tun hat Lücking, der als kaufmännischer Angestellter im Steinheimer Malerbetrieb Gemmeke tätig war, inzwischen vollendet, ist also im Ruhestand – doch ans Ausruhen denkt er noch nicht: „Wir haben da noch einiges im Schlauch“, sagt er allein mit Blick auf die Radwege-Projekte des „Ländlichen Raums aktiv“. Und so vergeht auch kaum ein Tag, an dem er nicht mit Gensicki korrespondiert: „Wir telefonieren täglich – nur sonntags ist Ruhetag“, sagt Lücking lachend. Allein in diesem Jahr haben die beiden schon 154 Telefonate geführt.
„Er ist eben ein Netzwerker mit Leib und Seele“, so Stickeln. Und nun ist er auch Träger des „Verdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland“, wie es offiziell heißt.
Text: NW Madita Schellenberg 19.04.2025